Ricasoli

Italien Chianti Classico Toskana

Mit den »Chianti-Crus« stellt das traditionsreiche Toskana-Weingut den Terroir-Gedanken in den Mittelpunkt

Das toskanische Weingut Ricasoli bringt, inspiriert von der französischen Weinphilosophie, drei Crus auf den Markt: Weine aus hochwertigen Einzellagen, die sich durch ihr jeweils einzigartiges »Terroir« auszeichnen.

Sie sind das Ergebnis einer langen Entwicklung, die 1993 begann: Damals hatte Francesco Barone Ricasoli das Weingut auf dem traditionsreichen Castello di Brolio ins Familieneigentum »zurückgekauft«, nachdem es vorübergehend an internationale Getränkekonzerne verloren gegangen war und Qualität nicht die oberste Priorität genoss.

Ricasoli leitete sofort eine ambitionierte Neustrukturierung ein: Die Qualitätslatte wurde um ein Vielfaches höher gelegt, neue Weingärten angepflanzt, ein wissenschaftlich fundiertes Programm zur Selektion und Weitervermehrung der besten alten Sangiovese-Rebstöcke gestartet. Ricasoli: »Diese alten Sangiovese-Reben waren ein ungehobener Schatz.«

Zum Forschungsprogramm auf Brolio gehört auch die Analyse der einzelnen Weinbergslagen – in Summe 250 Hektar – und deren Böden. Etwas, das im Chianti-Gebiet noch heute kaum eine Rolle spielt. Ricasoli: »Wir möchten unsere Weingärten und den Einfluss des Bodens auf den Wein besser verstehen, um die Qualität weiter zu verbessern und Fehler auf dem Weg von der Traube in die Flasche zu vermeiden.«

Castello di Brolio, das manchmal als »Château Lafite Italiens« bezeichnet wird, kann auf eine 900 Jahre lange Tradition als Weingut zurückblicken: So wurde die »Formel« für den Chianti mit Sangiovese als Hauptrebsorte von Bettino Ricasoli, einem Vorfahren des heutigen Barone, »erfunden«. Francesco Ricasoli: »Mit unseren drei Crus wollen wir an diese alte Tradition anschließen.«

Das Cru-Projekt: Drei Bodentypen, drei Weinberge, drei Crus!

Francesco Ricasoli und sein Team identifizierten auf Brolio 19 verschiedene Bodentypen, deren Zusamensetzung in einem Großteil des Chianti Classico-Gebietes zu finden ist. Diese Typisierung hat es Ricasoli ermöglicht, Weine mit einer außergewöhnlichen Struktur und einem ausgeprägten Geschmack auf die Flasche zu bringen. Alle drei Cru-Lagen bringen auf drei ganz unterschiedlichen Bodentypen ganz unterschiedliche Weine hervor, jeder für sich ein unverwechselbares Meisterstück!

Alle drei Crus – Colledilà, Roncicone und CeniPrimo – wurden reinsortig aus Sangiovese vinifiziert und bringen die wunderbaren Charakteristika dieser Rebsorte, die durch die geringen Ausmaße der jeweils gleichnamigen Lage noch gesteigert werden, ins Glas. Die Lagen Colledilà und Roncicone sind nach Südosten ausgerichtet, jene von Ceniprimo gen Südwesten. Die Trauben für die drei Crus werden manuell gelesen und dann selektioniert. Nur perfekte Trauben werden für die Crus ausgewählt.

Der Colledilà, aus der gleichnamigen Weinbergslage (»Der Hügel dort drüben«), ist für seine Komplexität und seine moderne Eleganz bekannt, sanft, präzise, leicht und frisch! Die Reben für den Colledilà wachsen auf felsigem Grund, kalkhaltigem Ton, der reich an Kalziumkarbonat und arm an organischer Substanz ist. Der sieben Hektar große, auf 380 m Höhe gelegene Colledilà befindet sich auf einer »Monte Morello« genannten geologischen Formation, auch als »Alberese« bekannt. Das Etikett zeigt den Ausschnitt einer historischen Chianti-Landkarte aus dem Jahr 1584, auf der auch das Castello di Brolio abgebildet ist.

Der Roncicone: Seine ausgeprägte blumige Frische verschmilzt mit würzigen Noten, der präsenten Säure, einer klar definierten Mineralik und ausgewogenen weichen Tanninen. Die Sangiovese-Reben für den Roncicone gedeihen auf einem zehn Hektar kleinen Weinberg gleichen Namens, in 320 m Höhe. Der Boden setzt sich aus pliozänen Meeressedimenten mit sandigen Ablagerungen, durch die Meereseinwirkung geglättetes Gestein und Ton auf tieferen Ebenen zusammen.

Der CeniPrimo: intensive Aromen von frischem Obst und Veilchen in der Nase; körperreich, mit gut entwickelten Tanninen, balsamische Noten, weich, warm und kraftvoll! Die nur sechs Hektar große Lage Ceniprimo ist gen Südwesten ausgerichtet und befindet sich auf 300 m Höhe im Tal des Flusses Arbia, auf einer uralten Flussterrasse.

Und das Beste an allen drei Crus – mit den Worten des Barone: »Es sind keine Verkostungsweine, sondern Trinkweine.«

Der Vater des Chianti: Bettino Ricasoli

Mindestens ebenso bedeutend wie Charles Darwins Evolutionstheorie oder Abraham Lincolns Gesetze zur Sklavenbefreiung ist das Erbe jenes Mannes, der, wie seine prominenten Zeitgenossen, im Jahr 1809 geboren wurde: Bettino Ricasoli, der Vater des Chianti. Die Chianti-Formel. »Ich fand mich bereits durch die Ergebnisse der ersten Versuche darin bestätigt, dass der Wein den Hauptanteil seines Buketts und eine gewisse Kräftigkeit von der Sangiovese-Rebe bezieht; die Lieblichkeit von der Canaiolo-Rebe, welche die Härte der Ersteren abmildert, ohne deren Bukett zu schmälern. Die Malvasia-Rebe, die man bei zur Lagerung bestimmten Weinen weglassen könnte, neigt dazu, das Produkt der ersten beiden Rebsorten zu verdünnen, verstärkt dessen Geschmack und macht es leichter und schneller verfügbar für den täglichen Gebrauch bei Tisch.« – So brachte Bettino Ricasoli im September 1872 nach jahrelangen Experimenten seine berühmte »Chianti-Formel« auf den Punkt. Sie bestimmte die Sangiovese-Traube als Hauptbestandteil des Weins und erlaubte den Zusatz von Canaiolo.

Bei Weinen, die weder zur Alterung noch zum Transport bestimmt waren, tolerierte der Baron auch geringe Anteile Malvasia. Ricasoli hatte also bereits das Alterungspotenzial des Sangiovese erkannt, sich gleichzeitig jedoch für die Produktion eines Alltagsweins eingesetzt. 200 Jahre nach der Geburt Bettino Ricasolis ist die von seinem Schlossweingut Castello di Brolio im Chianti Classico ausgegangene Winzertradition so lebendig wie eh und je: In den Weinbergen und Kellern laufen nach wie vor Versuche mit Sangiovese, die den toskanischen Paradewein auf Siegeskurs halten sollen.

Der am 9. März 1809 in Florenz geborene Bettino Ricasoli widmete sich sein Leben lang intensiv der Landwirtschaft und führte in Ackerbau, Viehzucht und Weinproduktion zahlreiche bedeutende Innovationen ein. Er prägte für kurze Zeit auch die politische Geschichte Italiens: An der Erhebung der Toskana und an der Vertreibung der Habsburger 1859 war Ricasoli maßgeblich beteiligt. Er übernahm die Führung des Großherzogtums bis 1860, als eine Mehrheit der Bevölkerung für den Anschluss der Toskana an das Königreich Piemont-Sardinien stimmte und so den ersten wichtigen Schritt zur Einheit Italiens setzte. 1861/1862 und 1866/1867 war der wegen seiner strengen Art »eiserner Baron« genannte Ricasoli Premierminister des nunmehr geeinten Staates Italien.

Nach Ende seiner politischen Laufbahn zog er sich ins Privatleben auf Brolio zurück und widmete sich bis zu seinem Tod 1880 intensiv dem Weinbau und besonders dem Chianti.

Visionär.

Zur Erinnerung an den 200. Geburtstag Bettino Ricasolis wurde das Etikett des »Brolio Chianti Classico« mit einem Gedenksiegel versehen. Es zitiert den Wappenspruch »Rien sans peine« – frei übersetzt: »Kein Erfolg ohne Anstrengung«. Dieses von Bettino 1852 gewählte Motto klingt im Hinblick auf die 20 Jahre später von ihm gefundene Chianti-Formel geradezu visionär.

Der Castello di Brolio, ist ein Chianti Classico aus 95% Sangiovese mit etwas Merlot und Cabernet Sauvignon. Er ist im ganz strengen Sinn kein Cru, weil seine Trauben aus verschiedenen Lagen stammen. Doch, so der Barone, folge der Wein dem Château-Konzept: Er ist eindeutig der Erstwein, das Flaggschiff und Aushängeschild, mit dem das Weingut identfiziert werden möchte. Ein großer Wein aus den allerbesten Sangiovese-Partien von Brolio, mit klassischem Etikett, in gut verfügbaren Mengen – je nach Jahrgang zwischen 50.000 und 100.000 Flaschen.

Der Castello brach 1997 die Vorherrschaft der »Supertoskaner« in Italien, jener nicht eben regionstypischen, wuchtigen, häufig aus nicht-italienischen Rebsorten produzierten Cuvées. Jedes Weingut, das etwas auf sich etwas hielt, hatte »seinen« Supertoskaner, der nicht selten zum wichtigsten Wein der Kellerei wurde. Bei all dem kam der traditionelle Chianti etwas zu kurz.

Ricasoli: »Es erregte damals gehöriges Aufsehen, dass wir den Castello, also einen Chianti Classico, als besten und teuersten Wein unseres Gutes vorstellten!« Der Castello machte den Chianti als Weintyp wieder groß und rückte auch das Chianti-Gebiet als unverwechselbares Terroir wieder ins Bewusstsein. Heute, so der Barone, arbeite man bei diesem Wein am Fine-Tuning im allerhöchsten Qualitätsbereich.

©Foto: Gerd Kressl (1)

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