Smart Wines 2024
Orange – mehr als nur eine Farbe
Betrachtungen über eine smarte Erscheinung
Was haben Sonnenuntergänge, der Indian Summer, die Luxusmarke Hermès, eine Südfrucht namens „Citrus sinensis L.“, die Roben buddhistischer Mönche und die Trikots der holländischen Fußballnationalmannschaft, Ringelblumen und Smart Wines gemeinsam? Das Orange! Seit 1993 ist unser Design in dieser Farbe gehalten. Zeit, einige Betrachtungen darüber anzustellen.
Zuerst war die Frucht, dann kam die Farbe
Der weite Weg von „nāram“ zu „orange“
Zu Beginn eine wichtige Klarstellung: Die Farbe ist nach der Frucht benannt. Das Wort Orange für den später wissenschaftlich „Citrus sinensis L.“ genannten Orangenbaum hat einen langen Weg hinter sich. Es kam über das altprovenzalische „auranja“ und das spanische „naranja“ vom arabischen „nārandsch.“ Dieses geht seinerseits über das persische „nārendsch“ auf das sanskritische „nāranga“ und das tamilische „nāram“ zurück. Das „n“ am Beginn der Namen wurde dann bei der Entlehnung aus dem Spanischen in andere romanische Sprachen durch andere Konsonanten ersetzt – z. B. beim portugiesischen „laranja“ – oder ging ganz verloren: lateinisch „aurantia“, französisch-deutsch-englisch „orange“, italienisch „arancia.“
Ab dem späten 15. Jahrhundert wurden Orangen in Europa zunehmend bekannt und als luxuriöse Frucht geschätzt. Im Laufe der Zeit übertrug man aus optisch naheliegenden Gründen den Namen der Orange auf den identischen, bis dahin meist als dunkles Gelb, helles Rot oder Gelb-Rot bezeichneten Farbton. Schriftlich nachweislich war dies erstmals 1502 der Fall, als die Kleidung der schottischen Königin Margaret Tudor ausdrücklich als „orange“ bezeichnet wurde.
Königshäuser und Klimaaktivisten
Eine Farbe schreibt Geschichte und macht Politik
Nur indirekt mit der Frucht und der Farbe hat der Name des niederländischen Königshauses Oranien zu tun. Direkt aber mit der Stadt Orange in der französischen Provence: Deren historische Bezeichnungen – das lateinische „Arausio“ und später das okzitanische „Aurenja“ – leiteten sich von einem keltischen Wassergott ab und wurden im Mittelalter zu „Orange“ französisiert. Aber erst lange nach dieser rein sprachlichen Transformation stellten die Stadtväter eine – sachlich falsche – Verbindung zur inzwischen in Europa angekommenen Orange als Frucht und zur Farbe her, was sich auch im Stadtwappen niederschlug. Und als Orange mitsamt der gleichnamigen Grafschaft 1544 an die niederländische Linie des Hauses Nassau fiel, wurde dessen Name erweitert: zu „Nassau-Oranien“ bzw. „Huis Oranje-Nassau.“
Ein Mitglied dieses protestantischen Adelsgeschlechts, Wilhelm III. von Nassau-Oranien, besiegte 1690 den katholischen König von England in der Schlacht am Boyne und folgte ihm auf den englischen Thron. Zur Erinnerung daran benannte sich der nordirisch-protestantische Oranier-Orden, bekannt für seine provokanten Märsche durch katholische Wohngebiete in Belfast, nach Wilhelms Familiennamen und wählte Orange als Ordensfarbe.
Auch der von 1842 bis 1910 bestehende Oranje-Freistaat, eine unabhängige Burenrepublik im heutigen Südafrika, geht namentlich auf die ursprüngliche Herkunft der Buren aus den Niederlanden zurück.
Das zu trauriger Berühmtheit gelangte, hochgiftige Entlaubungsmittel Agent Orange, das die Amerikaner im Vietnamkrieg großflächig über dem Dschungel versprühten, um dem feindlichen Vietcong jegliche Deckung zu rauben, verdankt seinen Namen den orangefarbenen Streifen, mit denen die Giftfässer gekennzeichnet waren. Agent Orange war auch der Schimpfname, den man Jahrzehnte später einem amerikanischen Präsidenten verpasst hat – aufgrund seiner auffälligen orangen Gesichtsfarbe und seiner geradezu toxischen Wirkung auf die Demokratie seines Landes.
Die „Orange Revolution“ 2004/2005 in der Ukraine – eine Serie von Protesten und Demonstrationen – leitete ihren Namen von der Parteifarbe des zunächst um den Wahlsieg betrogenen, später dann doch erfolgreichen Oppositionskandidaten ab.
Jüngstes Beispiel für die politische Komponente der Farbe: Im Juni 2023 wurde die Insel Sylt von Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ heimgesucht. Mit oranger Farbe attackierten sie „Symbole von Überkonsum und Verschwendung“, etwa einen Privat-Jet, einen Golfplatz, eine Luxusboutique und ein 4-Sterne-Hotel. Ein Reporter der Hamburger ZEIT kommentierte nach einem Augenschein der Boutique ebenso ironisch wie trocken: „Das hingeklatschte Orange – es ist übrigens ein warmer, nicht uneleganter Farbton – kommt auf dem Backstein auch deshalb so gut zur Geltung, weil es auf dem Dior-Schriftzug und den Scheiben der Tür schon wieder vollständig entfernt ist.“
Im September 2023 besprühte die „Letzte Generation“ die Säulen des Brandenburger Tores in Berlin – ebenfalls mit oranger Farbe. Es wurde diskutiert, ob dies nun Street Art, Protest gegen Klimasünden, Vandalismus oder von jedem etwas sei. Das Berliner „Monopol Magazin für Kunst und Leben“ gestand der „Letzten Generation“ zu: „Ein ästhetisch stringentes Konzept haben sie immerhin: Bisher wurden bei allen Sprühangriffen verschiedene Orange-Töne benutzt, die eine optische Wiedererkennbarkeit garantieren.“ – Don’t stop Marketing.
Das Magazin weiter: „Fragt man die Aktivisten selbst nach ihrer Präferenz, bekommt man eine etwas vage Antwort. Orange sei neben Schwarz die einzige richtige Farbe der Letzten Generation, heißt es von der Gruppe. Außerdem handele es sich um eine Warnfarbe, die auch durch Westen und Bojen etabliert sei.“ Allerdings, so wandte das Kulturmagazin ein, stünde Orange in der Farbpsychologie oft für Freude, Erfrischung und Lust – was nicht ganz der Gemütslage der „Letzten Generation“ entsprechen dürfte, die mit ihren drastischen Aktionen vor den Folgen der Klimakrise warnen wolle. Die Assoziation „Jugend“ würde es vielleicht schon eher treffen.
Verpatztes Orange
Die Farbe in Kunst, Kultur und Lifestyle
Der bekannte deutsche Maler Rupprecht Geiger (1908 – 2009) wurde in den 1950er-Jahren bekannt durch die intensive Beschäftigung mit der Farbe Rot. Er setzte sie in allen Schattierungen und Nuancen ein – von flammendem Orange bis zu frostigem Pink. Eines seiner Gemälde heißt: „Oranger Kreis auf gelbem Kranz auf Weiß“. Für Geiger standen solche Farben für „… Leben, Energie, Macht, Liebe, Wärme, Kraft.“ Mit ihrer Fähigkeit zu stimulieren seien sie „in machtvoller Funktion“.
In den späten 1960er- und 1970er-Jahren stand die Farbe Orange für das Auffällige, Gewagte, Neue, Kraftvolle und Kreative. Lifestyle und Interieur Design waren geprägt von kräftigen, bunten, ja schrillen Farben, weichen und runden Formen.
In den quietschbunten 1970er-Jahren fand sich so mancher Teenager in einer von Orange geprägten Welt wieder – etwa in einem Jugendzimmer, das im psychedelischen Stil „Cotto Orange“ gehalten war: Umgeben von zwischen verschiedenen Orange-Tönen oszillierenden Blüten-, Wellen- und Schmetterlingstapeten sowie hellbraunen Spanplattenmöbeln mit heftig kontrastierenden, orangefarbenen Muschelgriffen aus Plastik konnte man den frühzeitigen Tod von Jim Morrison, Jimi Hendrix und Janis Choplin in angemessenem Ambiente beklagen.
Oranger Kreis mit gelbem Kranz auf weiß
Foto: Florian Seidel/Archiv Geiger, München
Ein erstes Highlight des Austro-Pops, einer in den frühen 1970er-Jahren einsetzenden spezifisch österreichischen Musikströmung, war der Titel „Orange“. Darin hieß es philosophisch vieldeutig: „Duuuuu hast mir mein Orange verpatzt. Duuuuu hast mir einen schwarzen Fleck gekratzt – in mein oraaaaange Lebensbild …“
Ebenfalls aus dieser Zeit stammt der inzwischen zum Kultfilm avancierte Streifen „A Clockwork Orange„, dt. „Uhrwerk Orange“ von Stanley Kubrick. Der Autor des dem Film zugrunde liegenden Buches, Anthony Burgess, erklärte die Idee für den Titel so: Er habe die Cockney-Phrase „as queer as a clockwork orange“ – wunderlich wie eine aufgezogene Orange – in Londoner Pubs gehört, als Metapher für etwas besonders Schräges, Seltsames, Absurdes. Burgess: „Der Ausdruck faszinierte mich als eine Äußerung volkstümlicher Surrealistik. Die Gelegenheit, die Redensart auch als Titel zu benutzen, kam 1961, als ich mich daranmachte, einen Roman zum Thema Gehirnwäsche zu schreiben. Der Mensch ist ein Mikrokosmos, er ist ein Gewächs, organisch wie eine Frucht, er hat Farbe, Zerbrechlichkeit und Süße – wie eine Orange. Ihn zu manipulieren und zu konditionieren bedeutet, ihn in ein mechanisches Objekt zu verwandeln – in eine Uhrwerk-Orange.“ Ticktack, ticktack …
Bittersüße Gaumengenüsse
Sizilianische Marmeladen und französische Liköre
Auch wenn der Name der Farbe von der süßen Orangenvarietät „Citrus sinensis L.“ abgeleitet ist, wollen wir dennoch eine Lanze für die Bitterorange „Citrus x aurantium L.“ brechen, die bereits seit dem 9. Jahrhundert in Sizilien bekannt war. Nicht zuletzt deshalb, weil dort heute auf dem 800 Jahre alten Landgut der Marchesi di San Giuliano eine Bitterorangenmarmelade produziert wird, die wohl zu den besten ihrer Art zählt: mit ganz feiner Bitternote, nach altem Familienrezept aus vollreifen, aromareichen Früchten eingekocht, die in der Vulkanerde des Ätna prächtig gedeihen und biologisch kultiviert werden.
Und da wir schon bei bitterorangen-lastigen Gaumengenüssen sind: 1880 hatte Louis-Alexandre Marnier, der Eigentümer einer Pariser Likör-Destillerie, die ebenso avantgardistische wie geniale Idee, französischen Cognac mit dem Aroma einer seltenen Orangensorte von der Karibikinsel Curaçao zu kombinieren. Seit damals ist das Rezept des heute weltberühmten Likörs unverändert: Nach wie vor wird Grand Marnier aus den grün geernteten, getrockneten Schalen der karibischen Bitterorange „Citrus Bigaradia“ hergestellt.
Mut, Erfolg, Kreativität
Orange in der Psychologie
Psychologisch wird der Farbe Orange eine lange Reihe von Eigenschaften zugeschrieben: optimistisch, klar, warm, vertrauenserweckend, zuversichtlich, fröhlich, heiter, gut gelaunt und aufgeweckt. Die Farbe steht für Mut, Erfolg, Geselligkeit, Kontaktfreudigkeit, Begeisterung, Kreativität, Entschlossenheit. Orange verbindet man mit Attributen wie inspirierend, energiegeladen, enthusiastisch, vital, freundlich, einladend, zugewandt, aufgeschlossen, nahbar, extrovertiert und großzügig.
In Südostasien weist Orange auf Wachstum, Gesundheit und Spiritualität hin. Marktforscher haben herausgefunden, dass Konsumenten die Farbe in Bezug auf Lebensmittel und Getränke mit „Frische“ verbinden. Und weil Johann Wolfgang von Goethe zu allem und jedem etwas Kluges zu sagen hatte, wusste er natürlich auch über die Farbe Orange etwas: „Die aktive Seite ist hier in ihrer höchsten Energie, und es ist kein Wunder, dass energische, gesunde Menschen sich besonders an dieser Farbe erfreuen.“
Aus der Not geboren
Das wahrscheinlich berühmteste Orange der Designgeschichte
Die Farbe des französischen Mode-Labels Hermès ist … orange! Doch das war nicht von Anfang an so. Die Ursprünge des 1837 gegründeten Unternehmens liegen im Sattlerwesen und in der gehobenen Lederverarbeitung. Lange Zeit gab es weder Logo noch Firmenfarbe.
Ironie der Designgeschichte: Das heute geradezu ikonische Orange, die „Signature Colour“ des Luxus-Labels, ist buchstäblich „aus der Not geboren“. Die entsprechende Legende wird so erzählt: In den 1920er-Jahren waren die Verpackungsschachteln für die Lederprodukte von Hermès cremefarben, in den 1930ern in Ringelblumengelb. 1942 aber herrschte in Paris kriegsbedingt Knappheit in allen erdenklichen Bereichen, und Hermès gingen die Schachteln aus. Deren Hersteller hatte nur noch welche in einer Farbe auf Lager, die keiner wollte: kräftiges Orange! Kurzentschlossen übernahm der pragmatisch denkende Chef des Hauses, Émile-Maurice Hermès, die heute weltberühmte orange Verpackung. 1945 fügte er schokoladebraune Bänder sowie das bekannte Pferdekutschen-Logo hinzu und verwendete das Orange auch für die Ledertaschen selbst. Binnen kurzer Zeit wurde die als „Orange H“ bezeichnete Farbe zum Markenzeichen.
Symbol des Neuen und Unkonventionellen
Warum Smart-Wines nicht in Bordeaux-Rot oder Tannen-Grün daherkommt
Alles andere als eine pragmatische Notlösung war hingegen die Entscheidung von Smart-Wines-Gründer Per Soehlke für Orange als Firmenfarbe. 1993 trat unser Unternehmen erstmals als Wein-Marketing- und Vertriebsagentur auf den Plan – mit einem jungen, neuen, spezialisierten Konzept. Es ermöglichte deutschen Weinhändlern und Gastronomen erstmals, direkter Partner ausländischer, vorerst italienischer Winzer, zu werden und deren Weine direkt zu beziehen bzw. zu importieren, ohne Umwege über zeitkonsumierende Zwischenlager oder Zwischenhändler.
Die Firmenfarbe Orange wurde – so wie der englische Name „Smart -Wines“ – bewusst gewählt: als Symbol des anderen, neuen Weindenkens, des unkonventionellen Konzepts und des Aufbruchs. Aber auch, um sich in aller Frische von den geschätzten Mitbewerbern abzugrenzen, die damals fast ausnahmslos in „seriösen“ Farben auftraten, wie Bordeaux-Rot, Nebel-Grau, Antik-Blau oder Tannen-Grün. Neben all diesen rationalen Motiven gab es auch ein sehr persönliches, so Per Soehlke: „Ich fand die Farbe einfach klasse.“ – Heute würde man salopp sagen … „geil.“
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Coco Chanel