Penne alla Vodka:

Die Lieblingspasta von Bernd Eichinger

Ein genussvolles Flanieren entlang der Memory Lane durch Film und Kulinarik bis zur zeitgemäßen Interpretation von Könnerhand mit bestem Bio-Wodka aus der Toskana und Top-Zutaten.

Nur um schnell in die Szenerie einzutauchen, warum jetzt auf einmal Penne alla Vodka Thema ist: Der junge Per, der einst in Mailand bei Gualtiero Marchesi am Herd stand, als dessen Restaurant als erstes in Italien drei Michelin-Sterne verliehen bekam, weilte Anfang der 1990er Jahre in New York City für ein Stage beim ersten, gerade neu eröffneten Planet Hollywood. Bernd Eichinger, 2011 mit 61 Jahren viel zu früh verstorbener Filmproduzent, Drehbuchautor und Filmregisseur – Der Untergang, Das Parfüm, Der Bader Meinhof Komplex -, wollte ausloten, ob er das „Eatertainment“-Konzept als Franchise für eine damals stattliche D-Mark-Summe nach Deutschland importieren könne, schickte einfach Per für ein „Praktikum“ in die USA. Bernd Eichinger und der spätere Smart Wines-Gründer kannten sich aus Pers Zeit hinter der Bar von Charles Schumann in München.

„But there are no stars in the New York Sky,
they’re all on the ground“


Abends fuhr eine fette Stretch-Limousine das Duo nebst illustrer Begleitung zum Essen. Wäre dabei „King of the New York Streets“ von Dion DiMucci im Radio gelaufen – hätte es niemanden verwundert. Es ging ins mittlerweile geschlossene Restaurant Il Nido, wo Bernd Eichinger herzlichst von „il padrone“ empfangen wurde. Richtig „old-school“, mit Carpaccio „Cipriani“ wie in Harry’s Bar in Venedig zur Vorspeise. Und dann gab‘s wirklich Penne alla Vodka. Bernd hatte bei seinem Lieblingsitaliener seine Lieblingspasta bestellt, erinnert sich Per. Danach folgte als „Secondo“ noch Saltimbocca alla romana und auch ein „Dolce“ gab es sehr wahrscheinlich, schließlich floss auch noch reichlich „Vino“.

Penne alla Vodka –
eine beschwipste, tomaten-sahnige Spurensuche


Ja, “a blast from the past.” Wie eben auch Penne alla Vodka. Eine tomaten-sahnige Redundanz aus den 1980ern. Und doch gekommen, um zu bleiben. Jüngst dazu beigetragen hat sicherlich die Spurensuche im Dokumentarfilm „Disco Sauce: The Unbelievable True Story of Penne Alla Vodka“, die auch die renommierte New York Times im Artikel „What Makes Penne Alla Vodka So Delicious? It’s All in the Sauce.“ aufgegriffen hat. Vor allem aber bei einer breiteren, jüngeren Zielgruppe erlebte das Gericht auf einmal ein Revival, als das Model Gigi Hadid einen Food-Trend auf TikTok mit ihrer Version auslöste.

Um es vorwegzunehmen, die Herkunft, ob italienisch, amerikanisch oder italo-amerikanisch, ist nicht eindeutig zu klären. Vielleicht müssen wir zu den Ursprüngen von Penne alla Vodka noch einen Tick weiter zurückgehen. Eine erste Version tauchte bereits 1974 im Buch „L’Abbuffone“, einer Mischung aus Rezepten und Memoiren, des Schauspielers und Regisseurs Ugo Tognazzi auf. Unter „Pasta all’infuriata“ hatte er einen „sugo all’arrabbiata“ mit Wodka gepimpt. Ja, damit hätte er sich in einem seiner bekanntesten Werke, „La Grande Bouffe“, also: „Das große Fressen“, mit Michel Piccoli und Marcello Mastroianni den Bauch auf dem Weg zum Ableben vollschlagen können. Und Cineastisches passt gut zu Bernd Eichinger.

Ab ins Jetzt mit bestmöglichen Zutaten
von Könnerhand im Kölner „Alfredo“

Doch kann man ein derart abgenudeltes Gericht in die Neuzeit überführen und ihm noch einen zusätzlichen Kick verleihen? Ja, mit bestmöglichen Zutaten und einem Spitzenkoch. Eines der besten italienischen Restaurants Deutschlands liegt einen Steinwurf an einer der unbeschreiblich hässlichen Nachkriegsstraßen vom Smart Wines-Headquarter entfernt. Alfredo Carturan hatte 1973 an dieser Stelle das italienische Restaurant „Alfredo“ eröffnet. Vor 25 Jahren übernahm es sein Sohn Roberto, nachdem er ein Gesangsstudium bei italienischen Meistern absolviert hatte. Die Küche? Ganz klar italienisch, so auch die Speisefolge. Geboten wird puristische italienische Produktküche, die so manch überraschende Zwischentöne auf Lager hat. Scheuklappen hatte man hier nie auf. Zwar stammt die Familie aus Padua, dennoch liebt Roberto neben Risotto die Küche des Südens mit viel Fisch und Meeresfrüchten, immer einem Tick leichter Schärfe und einem Hauch Knoblauch. Auch die Weinkarte spannt den Bogen von Italien über Europa bis hin zu Weinen aus den Höhenlagen Chiles und Argentiniens. Allein schon deswegen lässt sich Roberto auf diesen „Frevel“ ein. Obgleich viele italienische Restaurants in Deutschland dem undefiniertem Mischgeschmack von Tomatensahnesauce frönen, ist die traditionsfreie Kombination aus Tomate und Sahne zumindest in Italien verpönt.

Bio-Wodka aus der Toskana,
Millerighe und Tomatentwists


Als erstes haben wir uns mit Roberto Carturan auf die Suche nach einem Wodka nach unseren Qualitätsansprüchen und Geschmack gemacht. Gefunden haben wir den „VKA“, einen Bio-Vodka aus der Toskana. Der Bio-Weizen kommt aus der Toskana, das Wasser entsprang dem toskanischen Teil des Gebirgszugs Apennin. Transparenz auch beim Flaschendesign und der klaren Flüssigkeit; ein runder, weicher Vodka mit feinsäuerlicher, zartfruchtiger Frische und leichten Gewürzanklängen von Wacholder und Anis. Ein Hauch bleibt im Gericht spürbar.

Denn bei Penne alla Vodka hilft der Alkohol, genauer das Ethanol, der Tomaten-Sahnesauce – und um die geht’s hier rund um das Trägermaterial Nudel – auf die Sprünge. Es setzt Aromen frei, die sich im Wasser nicht auflösen würden. Zudem sorgt der Alkohol für eine bessere Bindung zwischen der Säure der Tomate in der Sauce und dem Fett der Sahne, das sich auf diese Weise nicht trennt.

„Wir müssen ja modern sein“, lacht Roberto Carturan und stellt dampfende Teller auf den Tisch. Darauf gibt er aus dem isi-Sahnespender noch einen Parmesanschaum und legt einen Parmesanchip obenauf. Die Zubereitung ist gar nicht weiter kompliziert. Wichtig sind die dreierlei Tomaten: Tomatenmark, frische geschälte Cocktailtomaten (die fruchtige Frische spürt man hinterher) und die Königin der Dosentomaten, San Marzano. Fein gehackter Knoblauch, also kein kompliziertes Soffritto, wird angeschwitzt, eher feinsinnig confiert in Peperoncini-Olivenöl. Dann kommen etwas getrockneter Oregano und die Tomaten hinzu. Abgelöscht wird mit einem ordentlichen Schuss VKA-Wodka. Etwas köcheln lassen, mit einem Schluck Sahne abrunden und kurz reduzieren lassen. Die nach Packungsanleitung bissfest gekochten „Paccheri Rigati Millerighe“, natürlich eine „Pasta die Gragnano I.G.P.“ von der „Pastai Gragnanesi“ kommen hinzu. „Mantecatura“, das Vermengen von Sauce, Nudeln und deren stärkehaltigem Kochwasser, und, ah, die großen Röhren mit ihren „tausend“ Rillen nehmen noch mehr Sauce und deren Geschmack auf und haben ein wunderbares fülliges Mundgefühl. Buon appetito! – ob in NYC oder K: „pikant, altmodisch und irgendwie zeitlos“, sagt Roberto. Und selig kauend nicken die Köpfe.

Text und Fotos: Stefan Chmielewski