Descendientes de J. Palacios

Spanien Bierzo

Weine vom Pfad der Pilger

Im nordwestspanischen Bierzo entstehen aus der Mencía-Rebe einzigartige Weine. Wie knorrige, an Arcimboldos Wurzel-Gesichter erinnernde Greise hocken die 100 Jahre alten Rebstöcke geduckt an den steilen Hängen. Sie tragen wenige, jedoch vollreife, süße, vor Energie und Aroma schier platzende Trauben. Rundherum Rosensträucher, Kirschbäume, Ginster, Stechpalmen und der würzige Duft von Rosmarin, Wacholder und Thymian. Dieser paradiesische »Weingarten« heißt Moncerbal und bringt einen jener Grand Crus hervor, die dazu beitragen, die nordwestspanische Weinbauregion Bierzo ins Blickfeld der internationalen Weinwelt zu rücken.

Bewirtschaftet wird dieser Weingarten vom jungen, aus der Rioja stammenden und in Frankreich ausgebildeten Winzer Ricardo Pérez Palacios, der 1999 Bierzo für sich entdeckte und beschloss, sich hier niederzulassen. Er begeisterte auch seinen Onkel Alvaro Palacios, einen der Väter des neuen spanischen Weinbaus, der Parallelen zu seinem eigenen »Erweckungserlebnis« zehn Jahre zuvor im Priorat erkannte. Gemeinsam bauten die beiden eine Kellerei auf und nannten sie zu Ehren von José, des verstorbenen Vaters von Alvaro, »Descendientes de J. Palacios«.

Am Jakobsweg:
Alvaro wirkt als Mentor, die Führung des Weinguts liegt bei Ricardo. Die beiden setzten mit ihrem Qualitätsfanatismus in den vergangenen zehn Jahren wichtige Impulse für die nur 6.000 Hektar kleine Region. »Als wir herkamen, war Bierzo selbst in Spanien kaum bekannt. Jetzt langsam macht sich ein Aufschwung bemerkbar«, so Ricardo. Fernab jeglicher sonniger Spanien-Klischees ist das steilhügelige Bierzo nördlich geprägt. Das Klima ist stark atlantisch beeinflusst, daher kühler als etwa die Rioja. Große Regenmengen im Winter sorgen für ausreichende Feuchtigkeit, mediterran heiße Sommer lassen die Trauben zuverlässig ausreifen.

Die Weingärten von Ricardo Pérez liegen bis zu 800 Meter hoch in den Hügeln rund um das Dorf Corullón, nahe am berühmten Jakobsweg. Insgesamt 35 Hektar sind auf 250 kleine Einzelparzellen verteilt, darunter Grand Crus wie Moncerbal, Las Lamas, La Faraona und San Martin: alle in idealer Südost-, Süd- oder Südwest-exposition, so steil, dass man kaum stehen kann, manche nur handtuchgroß. La Faraona etwa umfasst bloß 0,5 Hektar und liefert nur 600 bis 900 Flaschen. Aber diese Lage ist so einzigartig, dass sich eine getrennte Vinifizierung lohne. Pérez: »Wir wollen die Charakteristik jeder einzelnen, noch so kleinen Lage zum Ausdruck bringen.«

Dazu trägt die bisweilen extreme Mengenbeschränkung bei: So werden im Weingarten Las Lamas nur zehn Hektoliter pro Hektar produziert. Das entspricht etwa 0,2 Liter (!) Wein pro Rebstock. Die im Gegensatz zur aufgeräumten Ordnung in der Rioja geradezu anarchisch wild im Einzelbaum-System (»Vaso«) in einer Dichte von bis zu 7.000 Stück pro Hektar gepflanzten, zwischen 40 und 100 Jahre alten Rebstöcke profitieren von den großen Temperaturunterschieden zwischen Tag und Nacht: So prägen sich Aromen intensiver aus.

Mönche und Mencía:
Tiefe, Aroma, Eleganz, Mineralität, Harmonie, Länge und den nahezu burgunderartigen Charakter verdanken die Weine der »Nachkommen von J. Palacios« einerseits den eisen- und mineralienhaltigen Schieferböden, andererseits der Mencía-Rebe. Sie kam vor 600 Jahren mit jenen Mönchen aus Frankreich, die entlang des Jakobsweges Klöster im Bierzo gründeten und die Weinbaukultur mitbrachten. Ricardo Pérez schwört auf die Mencía: »Wozu soll ich Cabernet pflanzen, wenn ich diese perfekt angepasste Rebe hier habe, die mir alles gibt, was im Boden und in der Region steckt?«

Pérez arbeitet biodynamisch, duldet also keine Chemie im Weingarten, spritzt homöopathische Präparate, bereitet organischen Kompost, pflügt die Weingärten mit Mulis. Er sagt: »Die Biodynamik ist sehr wichtig für uns, aber nicht das Einzige. Sie hilft, die  Eigenheiten der Region und des jeweiligen Terroirs so rein und unverfälscht wie möglich in die Flasche zu bringen.« Der Barriquekeller wirkt sehr zweckmäßig,  unspektakulär und »aufgeräumt«. Vergoren wird in Holzbottichen mit Naturhefen, die Weine werden nicht gefiltert. Nach burgundischem Vorbild sind sie niemals barrique-lastig, sondern fein, elegant.

Lächelnde Gesichter:
Die Spiritualität einer alten Kulturlandschaft, die Eigenheiten der autochthonen Mencía-Traube, das atlantische Klima, die Schieferböden, die Hügellage, die biodynamische Landwirtschaft: All dies spiegelt sich so deutlich in Frische, Duft, Frucht und Energie der Bierzo-Weine wider, dass man sogar in Arcimboldos Wurzel-Gesichtern ein Lächeln zu erkennen glaubt.

©Foto: Gerd Kressl (1)

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