Strandcafé Altaussee

»Man sitzt insgesamt viel zu wenig am See«

75 Jahre Strandcafé in Altaussee – Porträt einer gastronomischen Institution im steirischen Salzkammergut.

Text: Bernhard Emerschitz

Intro in eigener Sache: Den Tadel, hier einen „Geheimtipp“ zu verraten und ihn eben dadurch seines Geheimnisses zu berauben, nehmen wir gerne in Kauf. Denn das Restaurant Strandcafé in Altaussee ist etwas so Besonderes, dass es ein schweres Versäumnis wäre, NICHT darüber zu reden.

Stille liegt über dem spiegelglatten See. Einige Rauchschwalben gleiten nur wenige Zentimeter über dem Wasser dahin, um Mücken zu schnappen. Tief hängende Wolken verhüllen an diesem kühlen, regnerischen Tag Anfang Mai die Gipfel des Losers und der Trisselwand, der beiden steil abfallenden Hausberge von Altaussee. Der vor Feuchtigkeit dampfende Wald hallt vom Klopfen eines Spechts und vom geheimnisvollen „Krok-Krok“ der Raben wider. Keine Menschenseele ist zu sehen, kein Auto zu hören. Berg, Wald und See bilden einen sanft tönenden Dreiklang, der „nervenärztlich empfohlen“ scheint: Willkommen in der „schönsten Sackgasse der Welt“, wie Altaussee von Friedrich Torberg ehrenhalber genannt wurde.

Vom Dorf aus kommend, sind wir zu Fuß auf einem schmalen Weg am See entlang unterwegs zum Restaurant Strandcafé. Man könnte es auch mit dem Auto erreichen, würde dabei aber die Ouvertüre einer großen Oper verpassen. Nach zehn Gehminuten taucht, prachtvoll am Ufer liegend, das Strandcafé im Blickfeld auf – wie die Loge eines Theaters, in dem der See seit Jahr und Tag, bei jedem Wetter die Primadonna assoluta ist.

Der Panoramablick auf der Terrasse

Auf der Suche nach dem Besonderen
Bei unserem Eintreffen im Strandcafé verabschiedet sich der Patron des Hauses, Peter Beuchel, gerade vom „Fischhändler meines Vertrauens“. Dieser hat gerade einige lebende Huchen vorbeigebracht, die sich nun im Wasserbehälter des Restaurants tummeln. Einige Exemplare dieser ebenso seltenen wie delikaten Fischart werden morgen oder übermorgen appetitlich angerichtet auf einem Teller liegen, sich von ihrer besten Seite präsentieren und ein paar Gäste sehr, sehr glücklich machen.

Die kleine Episode mit dem Fischhändler ist typisch. Ob Fisch, Fleisch- und Wurstwaren, Gemüse, Brot, Wein, Kaffee oder Olivenöl: Peter Beuchel schätzt lokale und regionale Lieferanten „mit Verlässlichkeit und Handschlagsqualität“. Partner, die, so wie er selbst, „immer auf der Suche nach dem Besonderen“ sind.

Peter Beuchel und der Altausseer See

Exkurs: auf dem See
Ein Teil unseres Gesprächs mit Peter Beuchel findet während einer Plättenfahrt über den Altausseer See statt. „Wasser und betrachtender Geist sind auf ewig miteinander verbunden.“ Dieser Satz aus „Moby Dick“ von Herman Melville kommt einem beim sanften Dahingleiten in den Sinn, auch wenn die Fische hier im See ein wenig kleiner ausfallen als in Melvilles Roman …
Es ist ein amüsantes und ungewohntes Bild, Peter Beuchel „in Zivil“, also mit Jeans, Sneakers, Regenjacke – und nicht in „Berufskleidung“ mit Lederhose und Trachtengilet – am Heck der Plätte stehen zu sehen: das Plättenruder mit der rechten Hand lässig und leicht bewegend, das Handy in der linken Hand haltend und in aller Selbstverständlichkeit eine Tischbestellung entgegennehmend. Unkundige Plätten-Laien wundert es ohnehin, wie man es mit nur einem Ruder schafft, nicht ständig im Kreis zu fahren …

Vom Strandbad zum Gastro-Juwel
Die Geschichte des Strandcafés beginnt gegen Ende des 19. Jahrhunderts – mit einem Strandbad am Altausseer See, bald bereichert mit Sprungturm, Getränkeausschank und Würstelstand. 1950, also genau vor 75 Jahren, erwerben dann die Großeltern von Peter Beuchel das Ensemble, bauen es aus, gestalten es um und betreiben die nunmehr „Strandcafé“ genannte Gastronomie mehrere Jahrzehnte lang. Mit Helga und Erhard Beuchel führt die zweite Generation den Betrieb durch die 1980er- und 1990er-Jahre. In dieser Zeit hilft deren Sohn Peter, Student der Betriebswirtschaft in Wien, in den Ferien im Strandcafé mit und verdient sich sein Taschengeld.

Nach einem nicht gerade glorreichen Intermezzo – der Betrieb war einige Jahre hindurch an wenig ambitionierte Wirtsleute verpachtet – steht das Strandcafé 2008 schließlich leer, liegt am Ufer des Sees wie ein gestrandetes Schiff, dessen beste Zeit vorbei scheint. Aber, wie es sich eben manchmal fügt, spielt Peter Beuchel genau zu dieser Zeit mit dem Gedanken, aus seinem bisherigen Berufsleben auszusteigen.

Der 1969 in Altaussee Geborene legt nach dem Studium eine klassische, internationale Business-Karriere in der Papierbranche hin, beantwortet sich aber 2008 die drängender werdende Frage „Will ich das mein ganzes Berufsleben lang machen?“ mit einem klaren „Nein!“
Regelmäßige Besuche in seinem Heimatort Altaussee und der schmerzende Anblick des brach liegenden Strandcafés seiner Familie führen zum Entschluss Peter Beuchels, die Papierfluten hinter sich zu lassen, in die Gastronomie einzusteigen und den Betrieb 2009 in dritter Generation zu übernehmen.

Der Altausseer See

„Vom Betriebswirt zum Nur-noch-Wirt!“, kommentiert er seine Entscheidung selbstironisch. Ein klares Understatement, gemessen an dem, was er seither mit viel Feingefühl und sicherer Hand aus dem Strandcafé gemacht hat: ein kleines gastronomisches Juwel im Ausseerland. Er stellt nicht nur das Restaurant auf neue Beine, sondern baut auch die ehemaligen Umkleidekabinen des Strandbades zu charmanten, „Hideaways“ genannten Ferienwohnungen um – direkt am See, mit exklusiver Strandnutzung.

Auf die Frage, was man brauche, um eine solche mission impossible zu erfüllen, sagt Peter Beuchel: „Qualitätsbewusstsein, einen guten Plan, viel Leidenschaft, eine Portion Wahnsinn. Und man muss auch richtig hackeln können.“ (österreichisches Pendant zum deutschen „malochen“ bzw. „ranklotzen“).

Der „Fischwein“ – passende Tropfen zu den Gerichten

Exkurs: Peter und die Nixe
Von der Wegbeschilderung zum Strandcafé über die Website bis zur Speisekarte: Das Motiv der Nixe ist rund um das Strandcafé allgegenwärtig. Im Firmenlogo hält die Frau mit dem Schuppenschwanz sogar eine dampfende (!) Tasse Kaffee in der Hand. Als Peter Beuchel das Strandcafé übernommen hatte, fiel ihm auf: Das angesichts der vielen Seen im Salzkammergut buchstäblich naheliegende Thema Nixe war touristisch-gastronomisch noch unbesetzt. Kurzerhand erkor er das anmutige Wasserwesen zur Galionsfigur seines Restaurants.

Nicht in Schönheit sterben
Bald wird wohl auch die vierte Familiengeneration bereit sein, Mitverantwortung im Betrieb zu übernehmen. Peter Beuchels Sohn Paul (24) absolviert nach einem beruflichen Selbstfindungsprozess nun eine Kochlehre, auch Tochter Julia (22) durchlief eine Gastro-Ausbildung. Beide helfen bereits jetzt gelegentlich im Strandcafé mit. Wenn Peter von seinen Kindern erzählt, ist der mitschwingende Vaterstolz deutlich spürbar. Er freut sich über die Weiterführung der Familientradition, denn „das Strandcafé soll ja nicht in Schönheit sterben.“

Brotberuf und Erfüllung zugleich
Die Herausforderung, die besondere Atmosphäre des Strandcafés zu beschreiben, ist nicht mit einem einzigen Wort bewältigbar, sondern gelingt allenfalls in Form der Annäherung. Hier ein Versuch: herzlich, unprätentiös, reduziert, einfach, authentisch, ungekünstelt, überschaubar, selbsterklärend, bürgerlich im besten Sinn, entspannt und feinsinnig, regional und bodenständig, gleichzeitig liberal, tolerant und weltoffen.

80 % des Publikums sind Stammgäste. Zu den Besuchern zählt aber auch „Laufkundschaft“ in Person vorbeikommender Wanderer und Spaziergänger, weiters der eine oder andere Politiker sowie etwa der Installateur aus dem Dorf, der mit Peter Beuchel gern über deutsche Rieslinge philosophiert. Auch ein Physiknobelpreisträger feierte schon Hochzeit im Strandcafé.

Wer und woher auch immer: „Wir wollen unseren Gästen nicht devot begegnen, sondern auf Augenhöhe, mit Herzlichkeit und Kompetenz“, so Peter Beuchel. „Die Leute kommen zu uns, weil sie die Location, das Essen und die Atmosphäre schätzen. Sie wollen sich einen schönen Nachmittag, einen schönen Abend machen, und wir sind gern die Kooperateure.“ Für ihn sei das Dasein als Wirt „Brotberuf und Erfüllung zugleich“.

Man sitzt insgesamt viel zu wenig am See

Der Chef des Strandcafés ist ein guter Geschichtenerzähler und großer Kommunikator mit viel Charme und Charisma, der sich gleichermaßen um seine Gäste, Lieferanten und sein Team kümmert. Es ist daher weder Wunder noch Zufall, dass er, nach der allerwichtigsten Eigenschaft eines Gastronomen gefragt, ohne Zögern sagt: „Empathie!“

Exkurs: auf der Veranda
Wir verlegen das Gespräch von der Plätte auf die Holzveranda des Strandcafés. So wie im ganzen Haus kehrte man, nachdem die Stil-Sünden der 80er-Jahre beseitigt worden waren, auch hier zum eleganten, zurückhaltenden Flair der 50er zurück. Der Hausherr nennt das Ambiente treffend „schön, aber nicht überkandidelt.“
Von der Veranda aus hat man einen ebenso freien wie befreienden Blick auf den See. In diesem Moment erinnert man sich, während der Vorbereitung auf den Besuch irgendwo das lakonische, gleichzeitig tiefgründige Motto des Hauses gelesen zu haben: „Man sitzt insgesamt viel zu wenig am See.“

1 Gault Millau-Haube für die Küche
Die Speisekarte des Strandcafés ist vielfältig, gleichzeitig angenehm überschaubar. Klassiker sind – unschwer zu erraten – Fischgerichte aus heimischen Arten wie Saibling, Forelle, Huchen oder Stör, die fangfrisch und lebend geliefert werden. Die vom Gault Millau mit einer Haube ausgezeichnete Küche des Strandcafés serviert den Fisch gebraten oder konfiert, als Carpaccio oder Tartar. Signature Dish und Evergreen des Hauses ist das Saiblingsfilet mit Safranrisotto.
Ob Fisch-, Fleisch-, Nudel- und Gemüsegerichte oder Desserts: „Das Wichtigste sind hochwertige Grundprodukte“, so Peter Beuchel. „Kreativität in der Küche ist schön und gut. Aber man muss nicht alles mit Schäumchen und Saucen überschütten oder in einen anderen Aggregatzustand überführen.“

Bekannte Labels und versteckte Juwelen
Auch die wohlüberlegt zusammengestellte, exzellente Weinkarte passt ins Bild des Strandcafés: angemessen, kreativ, auf dem Punkt. Die Karte bietet mehr als hundert Weine von sorgfältig ausgewählten Produzenten aus Österreich, Frankreich, Italien, Spanien und Deutschland. Darunter sind viele bekannte Labels wie der Sattlerhof aus der Südsteiermark, aber auch weniger bekannte, dennoch interessante Produzenten. Dazu eine Reihe von Naturweinen und versteckten Juwelen, wie etwa ein Furmint aus der Südoststeiermark. Charmantes Detail: die drei Fischwein-Sonderabfüllungen mit eigenem, stilechtem Strandcafé-Etikett.

Exzellente Produkte, regional und von Händlern des Vertrauens

Der Geist des Ortes
Wenn es so etwas wie „feinstoffliche Schwingungen“ gibt, kann man sie im Strandcafé spüren. Denn hier wirkt der „genius loci“. In der altrömischen Mythologie war dieser „Geist des Ortes“ das Schutzwesen eines Tempels, einer Kultstätte, aber auch einer ganzen Region, Stadt, eines Platzes, Hauses oder sogar einzelner Räume. Heute versteht man unter „genius loci“ die nicht exakt zu bestimmende Spiritualität und Atmosphäre eines Ortes, geprägt von baulichen Merkmalen, natürlichen Gegebenheiten und von den Menschen, die hier leben und arbeiten bzw. das in der Vergangenheit getan haben.

Der „genius loci“ des Strandcafés lässt Erinnerung, Erfahrung, Wissen und Können der Menschen und des Hauses zu einem Ganzen verschmelzen, von dem die Arbeit Peter Beuchels und seiner Mitarbeitenden geprägt ist. Er leitet ein in der Hochsaison 30-köpfiges Team. Viele davon sind schon mehrere Jahre dabei, der Umgang miteinander ist familiär und respektvoll. Motto: Lasst uns hart arbeiten – und viel Spaß haben. Beuchel: „Man muss auch Fehler zulassen können.“ So etwa ist ein auf den Boden gefallener und zerbrochener großer Topf mit Joghurt kein Beinbruch. Vielmehr spricht es für den Teamgeist, wenn der Verursacher des Malheurs prompt und selbstironisch in der Küche per WhatsApp einfordert: „We need more Joghurt!“

Exkurs: unsortierte Impressionen nach Art des Hauses
• Jeden Donnerstag im Sommer spielt die Grundlseer Geigenmusi im Strandcafé auf – mit Eidl, Mäschd, Wodl und Franz. • Jeden Montag geht das Jazz-Projekt Compressore Touristico, der „Burner 2025“, über die Bühne. • Dazwischen: Narzissenfest mit Bootskorso, Berge in Flammen, Gypsy Jazz • Auf der Toilette des Restaurants sind „Die letzten Tage der Menschheit“ von Karl Kraus zu hören, intoniert vom legendären Wiener Schauspieler Helmut Qualtinger.

PS: Man kann im Strandcafé Fisch genießen, ohne von der Nixe vorwurfsvoll angesehen zu werden …

Die Nixe des Altausseer Sees

Peter Beuchel & das Strandcafé Altaussee
8992 Altaussee, Puchen 197
Salzkammergut

t. +43 664 2129309

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