Ampeleia

Italien Maremma Toskana

Flüssige Seide aus der Maremma
Ampeleia ist eine innige Umarmung des mediterranen Lebens

Seit die Südtiroler Unternehmer und Weinliebhaber Thomas Widmann und Giovanni Podini gemeinsam mit Elisabetta Foradori Ampeleia 2002 gründeten, hat sich viel getan. Dem jungen Team um den Önologen Marco Tait, das die trentiner Winzerin damals zusammenstellte, überließ sie schnell das Tagesgeschäft und dann die Betriebsleitung, nachdem sie anfangs viel Zeit, Ideen und unverzichtbares Know-how eingebracht hatte.

Ampeleia ist in zwanzig Jahren zu einer großen tatkräftigen Familie zusammengewachsen, in der jeder seine Stärken einbringt und deren Spiritus Rector, Betriebsleiter und Önologe Marco Tait ist. Marco ist nach wie vor begeistert von der Vielfalt der Böden, der Natur in drei verschiedenen Höhenlagen und dem phänomenalen Potenzial für den Weinbau. Er kennt alle Parzellen des Weingutes, deren Eigenheiten und Entwicklung genau: »Ich bin mit den Weingärten mitgewachsen. Je besser ich sie kenne, umso besser kann ich im Keller arbeiten.« 2009 stellte Marco Tait auf biologische und auf biodynamische Landwirtschaft um, nach deren Prinzipien – Handlese, Arbeiten nach dem Mondkalender – er jeden Jahrgang hingebungsvoll bereitet. Seit 2014 ist Ampeleia mit dem anspruchsvollen Demeter-Siegel zertifiziert. Biologische Spritzmittel, Kompost und Hornmist, werden aufwändig selbst erzeugt. Dafür wurden 2014 sechs Kühe angeschafft, die zwischen den Weinbergen grasen und den Dung für das Präparat 500 liefern. Ampeleia hat eine Erweiterung erfahren, ist heute nicht nur Weingut, sondern Biofarm und eine Lebensgemeinschaft Naturbegeisterter mit eigenen Bienenstöcken, Hühnern, Gemüsegärten, Wäldern, Olivenhainen und Feldern mit fast ausgestorbenen traditionellen Getreidearten. »So sind wir weitgehend autark und bringen der Umwelt größtmöglichen Respekt entgegen.«

Angesichts der Vielfalt der Rebsorten wundert es nicht, dass sich die Ernte über eineinhalb Monate erstreckt: Vom Alicante Nero, wie die Grenache in der Maremma bezeichnet wird, Anfang September bis zum Cabernet Franc Mitte Oktober. Jede Parzelle wird separat händisch am Höhepunkt der Reife gelesen. Die Trauben werden dreimal selektioniert – ausgedünnt am Weinstock im Sommer, dann bei der Lese selbst und schließlich noch einmal auf dem Weingut. Die Weine von Ampeleia (nach griechisch »ampelos« = Rebstock) sollen die Vielfalt der mediterranen Kultur und Landschaft zum Ausdruck bringen. Daher war von Anfang an klar, dass eine Rebsorte allein diesen Anspruch nicht würde erfüllen können. Dennoch ist seit einigen Jahren, um es vorwegzunehmen, der Cabernet Franc uneingeschränkter Protagonist, dessen Potenzial und enge Verbundenheit mit dem Terroir Marco Tait schon in seiner Anfangszeit erkannt hatte.

Die etwas andere Toskana

Ampeleia liegt einige Kilometer nördlich von Grosseto, in Sichtweite des Bergdorfes Roccatederighi. Dieser wilde Teil der zur Toskana gehörenden Maremma entspricht so gar nicht dem gängigen Toskanabild mit sanften Hügeln, Säulenzypressen, Kulturmetropolen und Renaissance-Palästen. Vom Tourismus immer noch nahezu unberührt liegt die, einen rauen, aber unwiderstehlichen Charme ausstrahlende Hügellandschaft einfach da – unaufgeregt, dennoch spektakulär.

Die Coline Metallifere genannten Hügel verdanken ihren Namen den seit den Etruskern bekannten Kupfer- und Eisenvorkommen, die mineralische Noten im Wein begünstigen. Vor Ampeleia gab es de facto nichts Vergleichbares in dieser Region, die im Gegensatz etwa zum Chianti-Gebiet nicht auf eine jahrhundertelange, hoch entwickelte Weinbautradition verweisen kann. Hier in dieser „Terra di nessuno“ – diesem Niemandsland weitab von blühenden Städten – war Wein bis weit ins 20. Jahrhundert hinein buchstäblich eher ein Lebensmittel für Bauern, Schäfer, Land- und Minenarbeiter als ein Genussmittel für reiche Fürsten, Kaufleute, Bankiers und Priester. Endlose Kastanien- und Eichenwälder, unterbrochen von kleinen Olivenhainen, Wein- und Obstgärten prägen diese, von würzigen Düften durchwehte mediterrane Kulturlandschaft.

Drei Höhenniveaus

Nun wurden die unterschiedlichen Rebsorten natürlich nicht irgendwohin gepflanzt, sondern nach gründlichem Studium der Bodenprofile und der mikroklimatischen Gegebenheiten. Das Ampeleia-Team legte über 50 einzelne kleine Weingärten in drei verschiedenen Höhenniveaus an: Jede Rebsorte wurde entsprechend den klimatischen und geologischen Gegebenheiten dorthin gesetzt, wo sie ihrer Natur nach am besten gedeiht.

Man setzte die Rebstöcke extrem eng – maximal 7.000 bis 8.000 Rebstöcke pro Hektar in einigen Parzellen –, um ihre Konkurrenz um Nährstoffe und damit die Qualität der Trauben zu fördern. »Außerdem selektionieren wir streng und beschränken die Erntemenge auf nur etwa 700 bis 800 Gramm pro Stock«, erklärt Marco Tait beim Rundgang durch die insgesamt 35 Hektar Weingärten.

Nur wenige Straßen und Wege führen durch das undurchdringlich scheinende immergrüne Buschwerk der Macchia – ein Paradies für Wildschweine – zu verborgenen, im Hinterland liegenden Höfen und zu Bergdörfern hinauf, die wie Schwalbennester auf den felsigen Hügelkuppen kleben. Von dort oben zeigt sich die pittoreske, zum nur 30 Kilometer entfernten Meer sanft abfallende Landschaft in ihrer vollen Pracht. 500 m hoch liegen die Parzellen des mit Carbernet Franc und einem Teil der weißen Reben bestockten, 12 Hektar großen Lage La Rocca. Auf mittlerer Höhe zwischen 280 und 350 Metern erstrecken sich die Lagen Pieve und Sassoforte und weiter unten, auf 200 Metern die Rebgärten von Cannucceto.

Das Reich des Cabernet Francs

La Rocca ist ein magischer Ort voller Energie und reich an Kontrasten, der im Cabernet Franc ein außergewöhnliches Medium gefunden hat, um seine Einzigartigkeit im Rotwein Ampeleia, zum Ausdruck zu bringen. Das 12 Hektar große, in sieben Parzellen aufgeteilte Areal gleicht einem nach Süden und Südosten exponierten Amphitheater, das ganzjährig durchlüftet wird. Der Temperaturunterschied zwischen warmen Tagen und kühlen Nächten vertieft und verfeinert die Aromen der Trauben, das vulkanische Gestein bringt Mineralität, Feinheit und Länge am Gaumen. Filetstück von La Rocca ist die Lage »Bella Vista« – Nomen est Omen! – direkt oberhalb von Roccatederighi und auf dem gleichen Niveau wie das Weingut. Der nahe Kastanien- und Eichenwald und die bis hierher reichende Meeresbrise, welche die Trauben stets gut trocknet und damit vor Fäulnis bewahrt, schaffen ein besonders günstiges Mikroklima. Von hier stammt folglich auch ein Großteil der weißen Trauben für den Bianco di Ampeleia – und etwas Merlot. Das Weingut selbst ist weder ein atemberaubender futuristischer Neubau aus Beton und Glas noch eine protzige Villa Rustica, sondern ein für die Bautradition dieses Landstriches typisches, sanft in die Hügel eingefügtes kleines »Podere«, ein landwirtschaftliches Gut, das man den Vorbesitzern – Weinbauern und Viehzüchtern – abgekauft und umstrukturiert hat.

In Sichtweite des Meeres

Die insgesamt 5 Hektar umfassenden auf einer mittleren Höhe zwischen 280 und 350 Metern liegenden Parzellen sind vorwiegend mit Alicante Nero, Carignano, Mourvèdre – für den Rotwein Kepos – und einigen weißen Trauben bestockt. Kellermeister Tait zitiert ein nur auf Englisch funktionierendes Wortspiel: »Mourvèdre should see the sea.« Sinngemäß: Mourvèdre gedeiht am besten in Sichtweite des Meeres. Der schönste Platz dieser mittleren Lagen ist Sassoforte, mit wasserdurchlässigen, steinigen, roten Tonböden umgeben und geschützt von Korkeichen, Baumerdbeeren, Myrte, Felsen und mediterraner Macchia.

Mit Pieve auf 300 m Höhe, von Olivenbäumen und Wald begrenzt, und Cannucceto auf 200 m, unweit von Korn- und Sonnenblumenfelder, finden wir – insgesamt 17 Hektar – die am tiefsten gelegenen Weingärten Ampeleias: Schwere Tonböden, durchsetzt mit Fossilien und Kalk, und um einige Grad höhere Temperaturen als in den oberen und mittleren Lagen. Die Parzellen von Canucceto und sind ideal für die mediterranen Sorten Alicante Nero und Mourvèdre, aus denen ein Großteil des Unlitro gekeltert werden, jene von Pieve für die Letztgenannten und Carignano, aus denen der Rosé und ein Teil des Kepos vinifiziert werden.

Die Vielfalt zeigt es. Der Name ist Programm: Ampeleia (von »ampelos« = Rebstock)

Den Hauptanteil macht Cabernet Franc mit etwa 50% aus, der in der Maremma bis dato kaum verbreitet war. Frucht, Würze, Eleganz und Körper sind die Charakteristiken, die er in den reinsortig aus Cabernet Franc vinifizierten Ampeleia einbringt. Weitere, ausgesprochen mediterrane Rebsorten tragen mit ihren Eigenschaften zum Charakter der Weine bei. Sie festigen die Statur des Weines und beleben die Fruchtaromen, wie der Carignano mit seinen Himbeer- und Minzenoten. Oder der an Gewürze wie Lorbeer erinnernde Mourvèdre, der zudem einen gewissen animalischen Charme ausstrahlt. Der farbintensive Alicante Nero besticht mit Frische, Eleganz und feinen Erdbeer- und Blütenaromen.

Der Zweitwein Kepos (griech. »Garten«) wird aus diesen drei Sorten Alicante Nero, Mourvèdre und Carignano erzeugt. Sie werden am gleichen Tag geerntet und zusammen vinifiziert. Der Wein verbringt zehn Monate in Betontanks und zwei Monate in der Flasche. Er ähnelt im Stil dem großen Bruder Ampeleia, ist jedoch etwas einfacher, preisgünstiger und sollte jung getrunken werden. Ein saftiger Wein für eine gesellige Runde, der einfach nur Spaß macht, ist der Literwein Unlitro; eine Cuvée aus Alicante, Carignano, Mourvèdre, Sangiovese und Alicante Bouschet. Die Trauben stammen von jungen Rebstöcken, die ihr mediterranes Terroir mit all seinen Charakteristika leicht und direkt widerspiegeln.

Neben diesen werden auch die Sorten Merlot, Alicante Bouschet, Sangiovese für die Rotwein- und Trebbiano, Ansonica, Malvasia für die Weißwein-Produktion (Ampeleia Bianco) kultiviert. Das gekühlt in den Keller transportierte, erstklassige Lesegut wird, je nach Rebsorte, entweder in Betontanks oder hölzernen Gärbehältern, kleinere Mengen in Stahltanks vergoren. Der Kellermeister muss 40 bis 50 einzelne Gärchargen gleichzeitig unter Kontrolle behalten. Der Ampeleia reift dann etwa zwölf Monate in großen, 50 bis 60 hl fassenden Holzfässern und weitere zwölf Monate in der Flasche.

Aus all dem ergibt sich: Der Ampeleia ist nicht typisch für die herkömmlichen, häufig bestenfalls mittelprächtigen Weine der Maremma. Er ist vielmehr eine elegant-fruchtige Interpretation der neuen, der anderen Maremma. Der 2017er Jahrgang wurde von Falstaff und Wine Advocate mit 93 Punkten ausgezeichnet.

Weniger ist mehr

Marco Tait legt großen Wert darauf, dass der Wein von Ampeleia das Produkt des ganzen Teams ist. – Er und sein Team sind alle geradlinige, unkomplizierte Menschen, die genau wissen, wovon sie reden, die meinen, was sie sagen und die tun, was sie im Sinn des Projekts für richtig halten.

In dieses Bild passt, dass alles hier auf Ampeleia auf das Wesentliche beschränkt, nein: konzentriert ist. Beim Besuch auf dem Weingut kommt einem das bekannte »Weniger ist mehr« aus Lessings Emilia Galotti unweigerlich in den Sinn. Auch im Gespräch mit Marco und seinen Mitstreitern fällt auf, dass sie gerne das Wort »essenziell« verwenden – in Bezug auf die Menschen, die Landschaft, die Dörfer, die Kultur, die Reben. Ein weiterer Wesenszug ist die Lust am Experimentieren. Wenige Details und noch mehr Präzision in Weinberg und Keller sorgen dafür, dass die Weine von Ampeleia von Jahrgang zu Jahrgang stets ein wenig mehr der Perfektion entgegenstreben, was sich auch in den alljährlichen Weinbewertungen niederschlägt.

Der im Schnee »geborene« Ampeleia ist eine innige Umarmung des mediterranen Lebens

Im Licht dieser Philosophie wurde der Ampeleia tatsächlich ein essenzieller Wein, und aus einer im Schnee der Alpen geborenen Idee wurde eine innige Umarmung des mediterranen Lebens.

Alles begann im Schnee der italienischen Alpen – beim Skifahren. Abends in der Hütte philosophierten drei Freunde, die sich schon lange kannten und die Naturverbundenheit, Liebe zur mediterranen Kultur und Leidenschaft für das Ursprüngliche teilten, darüber, wie wohl ihr gemeinsames Idealbild eines Rotweines aussehen sollte: Geschmeidig, elegant, fein und fließend wie Seide, dabei harmonisch, facettenreich und fruchtig, charmant, aber doch auch kräftig. Es wäre wahrscheinlich beim Philosophieren geblieben, wären die drei Freunde nicht die beiden Südtiroler Unternehmer, Tatmenschen und Weinliebhaber Thomas Widmann und Giovanni Podini sowie die trentiner Winzerin Elisabetta Foradori gewesen. Die drei waren fest entschlossen, ihre Idee zu verwirklichen und den Wein, der zuerst im Kopf entstand, eines Tages zu produzieren.

Nachdem die Vision immer klarer wurde und deutliche Züge annahm, suchten die drei Partner nach dem bestgeeigneten Ort zur Verwirklichung ihres Zieles. »Das Unternehmen gestaltete sich schwierig, wir hatten uns bereits viele Plätze in Italien angesehen und wollten fast schon aufgeben, als wir 2002 das hier fanden«, sagt Elisabetta und weist mit den Armen auf die Hügel rund um das schließlich »Ampeleia« genannte neue Weingut. Foradori, Widmann und Podini waren begeistert von der Vielfalt der Böden und der Natur in der verschiedenen Höhenlagen, erkannten das phänomenale Potenzial für den Weinbau und beschlossen zu bleiben.

Foradori: »Wir haben uns bei der Suche nach dem richtigen Standort und den geeigneten Rebsorten natürlich viele Gedanken gemacht, aber auch auf Gefühl und Intuition verlassen, die ihrerseits wieder auf lange Erfahrung aufbauen. Und wir lernen jedes Jahr viel dazu.« Die zahlreichen mediterranen Rebsorten spiegeln nicht nur das intellektuell-philosophische Konzept von Ampeleia, die Geschichte und Kultur der Region wider, sondern »… sie ergeben auch eine phantastische önologische Synergie, denn das Ganze ist mehr als die Summe der Teile«, sagt der aus Caldaro/ Kaltern in Südtirol stammende Kellermeister Marco Tait, der früher unter anderem auf Foradoris Weingut in Mezzolombardo tätig war.