Cusumano

Italien Sizilien

Der Löwe von Sizilien
Das Weingut Cusumano schreibt ein neues Kapitel in der Weinbaugeschichte Siziliens.

Der schwere, honigsüße Duft von strahlend gelb blühenden Ginsterbüschen liegt in der Luft, durchzogen von den frischen, harzigen Aromen des nahen Nadelwaldes. Das helle, vitale Grün der jungen Rebstöcke leuchtet im Licht der aufgehenden Sonne und bildet einen reizvollen Kontrast zum dunkelbraunen, fast schwarzen Boden. Jeder Schritt wirbelt die beinahe pulverig feine Erde zu Staubwölkchen auf.

Fünf Monate lang wurden hier an diesem Hang Terrassen angelegt. Spezialisten aus den nahen Dörfern bauten in mühe- und kunstvoller Handarbeit unzählige Trockenmauern. Auf den Terrassen stehen nun Reben der Sorte Nerello Mascalese: Dieser Bilderbuch-Weingarten heißt Guardiola, liegt am Nordhang des Ätna auf Sizilien, und zählt zu den Grand Crus am Vulkan.

Man erwartet viel von diesen Reben, die im Frühling 2014 gepflanzt wurden: In einigen Jahren sollen sie die Trauben für einen der besten Rotweine am Ätna liefern. Die Voraussetzungen dafür sind gut, steht doch hinter dem Projekt jenes Weingut, das seit 20 Jahren mit geradezu unerschöpflicher Energie und Dynamik zeigt, was in Sizilien möglich ist, wenn man nur will: Cusumano.

»Wir hatten die seltene Gelegenheit, am Ätna 15 Hektar zu erwerben«, sagt Diego Cusumano, der das Familienweingut zusammen mit seinem Bruder Alberto leitet, »davon allein sieben Hektar in der Lage Guardiola. Dieses Terroir ist absolut einzigartig, geradezu extra-terrestrisch.« Und – so muss man hinzufügen, um zu verstehen, warum dieser Rebberg so wichtig ist – Guardiola ist ein Musterbeispiel für das von Cusumano verfolgte Cru-Konzept, wonach jeder Wein seine Herkunft, sein Terroir, so gut wie möglich zum Ausdruck bringen soll und das Juwel in der schon bisher nicht gerade glanzlosen Krone der Cusumano-Weingärten, die über ganz Sizilien verstreut sind.

Rasante Entwicklung am Ätna

Nach einer langen Phase, in der die Weine vom Ätna nicht mit hoher Qualität identifiziert wurden, setzte vor etwa 20 Jahren eine Entwicklung ein, die sich in den vergangenen zehn bis 15 Jahren enorm beschleunigte: Ambitionierte, jüngere, nach internationalem Qualitätsnivau strebende Winzer aus allen Regionen Siziliens gingen daran, das vorhandene, aber lange Zeit wenig genutzte Potenzial der Böden auszuschöpfen. Alte Weingärten wurden revitalisiert, neue ausgepflanzt, Qualitätsdenken und moderne Management-Methoden hielten Einzug. Manche sagen, seit der Jahrtausendwende hätte sich am Ätna mehr getan als in den 200 Jahren zuvor.

Mit dem neuen Denken kam auch der burgundische Cru-Gedanke an den Vulkan. Die Idee setzte sich fest, Weine aus den besten Lagen separat abzufüllen. Sodass die am Ätna traditionellen, heimischen Sorten Carricante (weiß) und Nerello Mascalese (rot) aufgrund der Einzellagen-Abfüllung viele verschiedene individuelle Interpretationen und Ausprägungen erfahren – wie Chardonnay und Pinot Noir in Burgund. Auch Diego und Alberto Cusumano sind von diesem Konzept überzeugt: deshalb Guardiola.

Projekt Alta Mora

Der Grand Cru Guardiola liegt am nördlichen Abhang des Ätna in der Nähe des Weinbauortes Randazzo, erstreckt sich von 600 bis 1.000 m Höhe und ist nach Nordosten ausgerichtet. Man pflanzte hier die autochthone Rebe Nerello Mascalese, die Sorte par excellence für hochklassige Ätna-Rotweine. Für die Reberziehung wurde das regionaltypische, traditionelle Alberello-System gewählt: Die Reben wachsen ohne Drahtrahmen in Buschform und werden einzeln an Pfählen aus Akazienholz festgebunden. Um die Qualität der Trauben zu fördern, pflanzte man 10.000 Stöcke pro Hektar, während in Cusumanos Weingärten in anderen Regionen Siziliens – dem jeweiligen Terroir angepasst – nur etwa 4.500 bis 5.000 Stöcke pro Hektar stehen. Die Renaissance der Weinbergslage Guardiola erregt Aufmerksamkeit bei den Winzern Siziliens und nötigt ihnen Respekt ab. Diesen beeindruckenden Weingarten anzulegen und zu bewirtschaften, ist eher eine Kulturleistung als ein landwirtschaftliches Projekt, zumal bis vor kurzem an seiner Stelle nur vernachlässigte, de facto brach liegende Hänge zu finden waren.

Böden aus Lava, Basalt, Asche und Sand

Ein steiler, terrassierter, eng bepflanzter Weinberg, ein Grand Cru wie Guardiola kann nur in Handarbeit bewirtschaftet werden. Der Chef-Agronom von Cusumano, Gaspare Dara, rechnet, dass jährlich etwa 1,30 Euro Arbeitskosten für die Weingarten- und Rebstockpflege anfallen, bis ein einziges Kilo Trauben erntereif ist. Das entspricht einem Aufwand von etwa 7.000,– Euro pro Hektar und Jahr für die Arbeit im Weingarten – und dann kommt noch die Weinernte, selbstverständlich in Handarbeit, hinzu. Geplant ist, die Menge so stark zu beschränken, dass im Guardiola-Weinberg pro Rebstock nur eine bis drei Trauben geerntet werden. Zusammen mit zuvor erworbenen, bereits in vollem Ertrag stehenden Reben an den nördlichen und östlichen Abhängen des Vulkans gehört der neu angelegte Weinberg Guardiola zu Cusumanos Ätna-Projekt »Alta Mora«. Alta (hoch) und Mora (dunkel) sind Anspielungen auf die Lage der Weingärten in bis zu 1.000 m Höhe und die Farbe des Bodens. Dieser ist – natürlich – vulkanischen Ursprungs, besteht aus Lava, Basalt, Bimsstein, Asche und Sand, enthält Mineralien wie Eisen, Kupfer und Magnesium, die für den Geschmack der Weine mitverantwortlich sind.

Etna Bianco & Etna Rosso

Entsprechend dem Projektnamen wurden die Ätna-Weine Cusumanos bezeichnet: Der »Alta Mora Etna Bianco« wird aus Carricante-Trauben produziert, die in der Region um das Dorf Milo am Osthang des Ätna wachsen. Der »Alta Mora Etna Rosso« aus Nerello Mascalese-Trauben kam im Herbst 2014 auf den Markt. Auf den Etiketten tritt der Name Cusumano bewusst in den Hintergrund, um die Besonderheit des Ätna-Projekts im Allgemeinen und den Cru-Gedanken im Besonderen zum Ausdruck zu bringen. Mit dem Jahrgang 2013 wurde erstmals der Guardiola erzeugt. Derzeit kommen die Trauben für den Alta Mora Etna Rosso aus älteren Weingärten in der Nähe von Randazzo: etwa aus der Lage Pietramarina mit sehr seltenen, von der Natur aus Vulkanund Sandstein gemischten Böden, aus Porcaria mit bis zu 50 Jahre alten Nerello Mascalese-Reben, und aus Verzella, wo eine neben den Rebanlagen neu errichtete Cusumano-Kellerei im Herbst 2014 in Betrieb genommen wurde.

Eigenschaften von Cool Climate-Weinen

Obwohl die Trauben an den Hängen eines aktiven Vulkans wachsen, strotzen Cusumanos Ätna-Weine nicht vor südländischer Hitze, Wucht und Opulenz, sondern zeigen die Eigenarten von »Cool Climate«-Weinen: Frische, Mineralität, kühle Eleganz, Finesse, klare, saubere Frucht – dank der hoch gelegenen, daher kühlen Weingärten und der leichten, mineralischen Vulkanböden.

Untypisch sizilianische Tugenden

Als vorurteilsbeladener und klischeegläubiger Nordeuropäer würde man in Sizilien nicht unbedingt erwarten, was einen bei Cusumano tatsächlich erwartet: Modernität, Internationalität, Effizienz, kompromissloses Qualitätsdenken, Zuverlässigkeit, Genauigkeit, Sauberkeit, Pünktlichkeit, durchdachte Details, gute Organisation. Das Familienweingut in Partinico, einer 30 km westlich von Palermo entfernten Kleinstadt, wird heute von den Brüdern Diego und Alberto geleitet. Sie hatten den Betrieb 2001 von ihrem Vater Francesco übernommen und neu ausgerichtet. Sie erwarben Rebflächen in verschiedenen Regionen Siziliens, pflanzten zahlreiche neue Rebstöcke und bewirtschaften heute auf mehreren Tenute insgesamt rund 500 Hektar. Cusumano verarbeitet ausschließlich eigene Trauben: in Sizilien die Ausnahme, denn nach wie vor kaufen die meisten großen Kellereien Trauben bei Kleinbauern zu, die häufig nur wenige Hektar bewirtschaften und selbst keinen Wein produzieren. Die beiden weltgewandten  Universitätsabsolventen Diego (Wirtschaft) und Alberto (Weinbau) haben ein dynamisches Team um sich versammelt. Darunter alte Hasen wie den Chef-Agronomen Gaspare Dara, bodenständige Landwirte wie den für die Tenuta Ficuzza verantwortlichen Giovanni Bordino, erfahrene Berater wie den Önologen Mario Ronci, vielseitige Schnelldenker und Organisationstalente wie die für den Export zuständige Maria Leone.

Besessen vom Cru-Gedanken

Von Anfang an waren die Brüder nahezu besessen vom Cru-Gedanken: Die einzelnen Weinberge sollen die autochthonen Rebsoren Siziliens, wie Nero d’Avola, Nerello Mascalese, Carricante, Insolia, Grillo und Catarratto Lucido in den Terroirweinen Cusumanos bestmöglich zum Ausdruck bringen. Und als Klassikweine sortenrein abgefüllte internationale Varietäten wie Syrah, Merlot oder Chardonnay sollen durch die Böden Siziliens eine eigene, inseltypische Identität bekommen. Heute ist Cusumano ein Musterbeispiel für den modernen Qualitätsweinbau in Sizilien, einer Region, wo kaum 20% der gesamten Produktion das Etikett »Qualitätswein« verdienen.

Elegant und bezahlbar

Das Unternehmen verbindet sizilianische Weinbautradition gekonnt mit modernem Qualitätsdenken, blickt in Bezug auf die ambitionierten  Zukunftspläne weit über die Rauchwolken des Ätna hinaus, steht aber mit den Beinen fest in der Erde, im Terroir Siziliens. Die Exportquote liegt bei 55%, die Weine werden in 75 Ländern getrunken. Dennoch ist das heimatliche Sizilien ein wichtiger Markt, bedeutender als der ganze »Rest« Italiens zusammen. Das zeitgemäße Denken zeigt sich auch nach außen, etwa an entsprechend klar gestalteten Etiketten oder an den Glasverschlüssen, mit denen die Klassikweine bereits 2006 ausgestattet wurden. Und die Weine? Herkunftsbetont, elegant, modern, aber nicht trendy, fruchtig, aber nicht breit und opulent, geradlinig, frisch, klar, reintönig. Und: bezahlbar!

Ein Mann wie ein Vulkan

Ein dynamischer, charismatischer Macher mit Gestaltungswillen, groß, schlank, sportlich, braun gebrannt, lässige Sonnenbrille, scharf geschnittene Gesichtszüge, barfuß in Lederslippers, körperbetontes Hemd und Hose. So betritt – nein erobert – er den Raum: Diego Cusumano hat ein Temperament wie ein – der Vergleich sei im Land des Ätna gestattet – Vulkan: energiegeladen, im Inneren stetig vor Ideen und Plänen brodelnd, immer zum Ausbruch bereit. Ein Gespräch mit Diego ist schwierig und einfach zugleich. Und zwar aus ein- und demselben Grund: Die Antworten kommen, noch bevor die Fragen gestellt sind. Auszüge aus einem »Interview-Versuch«: »Sizilien ist eine kleine Insel, hat aber viele völlig verschiedene Terroirs. Unsere Weingärten liegen in höchst unterschiedlichen Regionen der Insel, in Höhen von 250 bis 1.000 m, mit verschiedenen Böden, mit Kalk, Ton, Sand und Vulkanerde. Das jeweilige Terroir soll sich im Wein widerspiegeln.« »Wir wollen einen einzigartigen Stil in unseren Weinen, einen stile unico, elegant, nicht opulent.« »Als mein Bruder und ich im Jahr 2000 begonnen haben, war genau der richtige Zeitpunkt. Wichtige Veränderungen im sizilianischen Weinbau waren im Gang. Die neue Generation der Winzer hat so gut wie alles geändert. Unsere Insel wurde als neue Welt entdeckt – mit ungeahnten Qualitäten!« »Die uralte Weinbaukultur unseres Landes wird heute neu interpretiert. Die Zeit war reif, die Welt schien auf Qualitätsweine aus Sizilien nur zu warten!« »Cusumano will der Botschafter für Terroirweine aus Sizilien sein, die den Geschmack des Bodens so direkt wie möglich in den Wein bringen.« Folgerichtig sind für Diego Cusumano der Sàgana aus Nero d’Avola und der Cubìa aus Insolia die besten Repräsentanten des Weinguts, eben weil aus inseltypischen Rebsorten in hervorragenden Lagen produziert.

Der Löwe und die Sonne

Warum zeigt das Cusumano-Firmenlogo einen Löwen und eine Sonne? »Der Löwe steht für Mut, die Sonne für Sizilien!« – Nach 30 Minuten »Diego live« hätte man eigentlich selbst auf diese Antwort kommen können … Der Mann hat gemeinsam mit seinem für die Weinproduktion verantwortlichen Bruder Alberto enorm viel erreicht, aber sein nach wie vor brennender Ehrgeiz ist fast  körperlich zu spüren. Wo will er noch hin, wo er doch schon so weit ist? »Wir haben viel erreicht, aber das ist nichts im Vergleich zu dem, was möglich ist.« Diego springt ansatzlos von seinem Sessel auf, holt ein mit Rotwein gemaltes, an Jackson Pollock erinnerndes »Schüttbild« vom Regal und liest den Titel laut vor: »Jeder Tropfen ein Meisterwerk.« Er deutet mit dem Zeigefinger auf seine Schläfe: »Da wollen wir hin. An einen Cusumano-Wein soll man sich erinnern. Basta!« Sagt‘s und entschwindet so plötzlich, wie er gekommen war.

Ficuzza – karge Böden auf 800 m Höhe

Eine pastorale Szene wie aus dem Bilderbuch: Von den Wiesen am nahen Lago Scanzano dringt helles Glockengebimmel bis in die Weinberge hinauf. Friedlich weiden Kühe in Nachbarschaft zu den Reben. In der Ferne schmiegt sich der 7.000 ha große Wald von Ficuzza – früher ein königliches Jagdrevier, heute ein Naturreservat – an den Bergfuß des 1.600 m hohen Rocca Busambara, dessen felsiger Rücken sich markant in den Himmel erhebt.

Eleganz für die Weißen, Finesse für die Roten

Hier in der Hochebene Piana degli Albanesi, nur 40 km südlich von Palermo und dennoch Lichtjahre von der Hektik der sizilianischen Metropole entfernt, bewirtschaftet Cusumano auf seiner Tenuta Ficuzza ca. 190 Hektar Weinberge. Die 60 Einzelparzellen liegen wie grüne Teppiche in der gelbbraunen, mit Hafer und dürrem Gras bewachsenen Hügellandschaft. Verantwortlich für die Weinberge der Tenuta Ficuzza ist der Agronom Giovanni Bordino. Er wohnt ganz in der Nähe und ist von Anfang an, also seit 2001, für Cusumano tätig. Ständig gut gelaunt und ein Lied auf den Lippen, präsentiert er mit sichtlichem Stolz die perfekt gepflegten Weingärten, in denen er jeden Tag ab 5:30 Uhr arbeitet und nach dem Rechten sieht. In Ficuzza wachsen hauptsächlich weiße Trauben: auf den Ost- und Südosthängen Insolia und Chardonnay für sortenrein abgefüllte Weine der Klassik-Linie, vor allem aber für die Terroirweine Jalé (Chardonnay), Cubìa (Insolia) und Angimbé (Insolia/Chardonnay). Auf den kühleren Nordhängen hat man Pinot Nero gepflanzt, dem Bordino seine besondere Aufmerksamkeit widmet. Er sagt: »Das Besondere an Ficuzza ist die Lage der Weinberge auf 650 bis 800 m Höhe.« Entsprechend kühl sei das Mikroklima, entsprechend hoch die Temperaturunterschiede zwischen Sommer und Winter (mit Schnee!) bzw. zwischen Tag und Nacht. Die Quecksilbersäule des Thermometers bewegt sich zwischen 36°C in der Gluthitze des Spätnachmittags und 18°C in aller Hergottsfrühe. Giovanni Bordino: »Das bringt Eleganz in die Weißweine, Finesse und Farbe in die Rotweine.« Außerdem sorgt eine lange Vegetationsperiode für gute Aromenausbildung und gleichmäßige Traubenreifung.

Ein bisschen Stress tut den Reben gut

Die Sand- und Tonböden in Ficuzza sind schwer und karg. Aber, so Bordino: »Um gute Weine machen zu können, braucht man schwierige Böden. Die Reben sollen sich ruhig plagen müssen. Ein bisschen Stress tut ihnen gut. Denn«, so der Agronom im messerscharfen Umkehrschluss, »ein fetter Acker, auf dem große Kartoffeln wachsen, wäre schlecht für den Wein.« Ficuzza ist nur wenige Kilometer vom legendären Dorf Corleone entfernt, bekannt aus dem Mafia-Roman »Der Pate«. Offenkundig davon inspiriert, heißt der in Ficuzzas Osteria »Antica Stazione« servierte, dem Averner ähnliche Kräuterlikör »Don Corleone«. Das ist so klischeehaft, dass es schon wieder originell ist. Marlon Brando hätte sicher einen mit Giovanni getrunken.

Presti e Pegni – sonnenüberflutet

Er ist echtes Cusumano-Urgestein, arbeitet seit fast 30 Jahren für das Weingut, war schon für Francesco Cusumano tätig, den Vater der beiden Brüder Diego und Alberto, die heute das Unternehmen leiten. Und er ist ebenso autochthon wie die Rebsorte Nero d’Avola, stammt er doch aus Alcamo, nur wenige Kilometer von der Tenuta Presti e Pegni entfernt: Chef-Agronom Gaspare Dara, der Mann, der die Weingärten Cusumanos kennt wie seine Westentasche. Presti e Pegni, wo Cusumano 70 Hektar Reben kultiviert, liegt auf etwa 250 m Höhe in den sonnenüberfluteten Hügeln zwischen Palermo und Trapani im Westen Siziliens. Die tonhaltigen Böden sind ideal für die roten Sorten Nero d’Avola, Merlot, Cabernet Sauvignon und Syrah, aus denen Cusumanos Terroirweine Noà und Benuara erzeugt werden: gut strukturiert, komplex, aber nicht zu körperreich, mit viel Fruchtaroma und Eleganz. Der Noà war übrigens der erste Wein Italiens, der im Gambero Rosso gleich für seinen ersten Jahrgang drei Gläser bekam.

Umfangreiche Neupflanzungen

Auf Presti e Pegni sind, wie auf allen Cusumano-Weingütern, neben den bestehenden älteren Rebanlagen umfangreiche Neupflanzungen im Gange. Selbstverständlich nicht, ohne vorher geologische Analysen durchgeführt zu haben, um die bestgeeignete Rebsorte bzw. deren optimal an die tonhaltigen Böden angepassten Klone zu bestimmen. So wie seine Chefs Diego und Alberto überlässt Gaspare Dara diesbezüglich nichts dem Zufall. Denn es gilt: Die Rebsorte soll das jeweilige Terroir so gut wie möglich zum Ausdruck bringen. Ebensowenig Zufall ist, dass der Verlauf der Drahtrahmen bzw. Rebzeilen von nur wenige Meter auseinander liegenden Anlagen unterschiedlich ist: Die Rebstöcke wurden jeweils so gepflanzt, dass sie sich gegenseitig so viel Schatten spenden, wie es für die jeweilige Sorte am konkreten Standort optimal ist.

Monte Pietroso – kühle Nordhänge

Ein Blick auf den in der Nähe von Presti e Pegni liegenden Monte Pietroso lohnt deshalb, weil auf dessen kühlen Nordhängen der Grillo wächst, eine seit etwas mehr als hundert Jahren auf Sizilien heimische weiße Sorte. Cusumano macht aber nicht den berühmt-berüchtigten Süßwein Marsala daraus, sondern einen klaren, frischen, geradlinigen, modernen sizilianischen Weißwein, den Shamaris.  Dank der mineralreichen, kalkhaltigen Ton-Sand-Böden zeigt dieser Terroirwein viel Eleganz und Komplexität.

Butera – weiße Böden

Die Hunde flüchten in den Schatten der Traktorgarage, die Luft flimmert und flirrt, das Atmen fällt schwer, ein Schweißausbruch jagt den nächsten, die Zunge klebt am Gaumen. Die typischen hellen Böden in den Weinbergen reflektieren das Sonnenlicht so stark, dass man ahnt, was es heißt, an Schneeblindheit zu leiden: 38°C sind keine Seltenheit auf der Tenuta San Giacomo bei Butera, 20 km landeinwärts von der Hafenstadt Gela im Südosten Siziliens. Zum Glück streicht stets eine Brise über die Hügel, die nachts die Reben etwas abkühlt und für die unter den gegebenen klimatischen Umständen ungeahnte Frische der Weine mitverantwortlich ist. Ein ur-sizilianisches Gewächs: Nero d‘Avola 140 Hektar Weingärten bewirtschaftet Cusumano in Butera. Aufgeteilt auf 40 Einzelparzellen liegen sie auf 350 m hohen, sanften Hügeln. Hier dominiert eindeutig der an Klima und Boden perfekt angepasste Nero d’Avola, eine von Siziliens alteingesessenen – autochthonen – Rebsorten, so typisch für die Insel wie der Ätna. Benannt ist der »Schwarze« nach der Stadt Avola an der Südostküste der Insel. Neben dem Nero d’Avola wachsen hier auf der Tenuta San Giacomo auch Merlot und Syrah für sortenrein abgefüllte Weine der Klassik-Linie.

Sàgana, das rote Flaggschiff Cusumanos

Das im Cusumano-Konzept so wichtige Terroir ist in Butera von den »Trubi« geprägt: So heißen die weißen, kalkreichen Ton- und Sandsteinböden, die den Rotweinen der Tenuta eine angenehme Mineralik verleihen. Aus den besten Trauben der ältesten Nero d’Avola-Reben der Tenuta San Giacomo produziert man den Sàgana, jährlich etwa nur 25.000 Flaschen. Dieses rote Flaggschiff von Cusumano bekommt von den internationalen Kritikern Jahr für Jahr gute Noten, zum Beispiel die berühmten 3 Gläser im Gambero Rosso. Die hohen Bewertungen kommen nicht von ungefähr. Chef-Agronom Gaspare Dara erklärt, dass im Weingarten bei der »grünen Lese« und später bei der Ernte ingesamt mindestens 50% der Trauben aussortiert werden: »Selezione brutale«, bringt es Dara auf den Punkt. Die  Ähnlichkeit Gaspare Daras mit dem französischen Schauspieler Gérard Depardieu (in dessen besten Zeiten) ist übrigens verblüffend – nicht nur in Bezug auf die gemeinsamen Initialen G.D.

Partinico – die Fäden laufen zusammen

Modern, hell, klar, offen: So zeigt sich das Verwaltungs- und Kellereigebäude von Cusumano in Partinico – und repräsentiert damit den Geist, der im ganzen Unternehmen herrscht. Der 2006 vom sizilianischen Architekturbüro Ruffino errichtete Bau übersetzt Funktionalität und zeitgemäßes Ambiente in eine ebensolche Architektur. Lichtdurchflutete hohe Räume, Wasserbecken, die durch Glasflächen vom Großraumbüro getrennt sind, schlanke Stiegengeländer aus Metall, die Leuchten, die gesamte Möblierung und Inneneinrichtung: Alles strahlt Modernität aus, ohne dabei kühl zu wirken. Die klare, schlichte und ornamentlose Ausstattung wurde so konsequent durchgezogen, dass sogar die Klo-Schüsseln viereckig sind, was wohl auch bekannt ornamentfeindlichen Design-Titanen wie Adolf Loos, Walter Gropius oder Ludwig Mies van der Rohe ein zustimmendes Nicken und Schmunzeln abgerungen hätte. Die in unmittelbarer Nachbarschaft der Verwaltung untergebrachte, blitzsaubere »State of the art«-Kellerei bietet technisch alles, was für ein Weingut dieser Größe nötig und sinnvoll ist: von temperaturkontrollierten Edelstahltanks über  leistungsfähige Abfüllanlagen bis zum Barrique-Lager, gefüllt mit den Fässern der besten französischen Tonnellerien. Allerdings werden die Barriques nur für internationale Sorten wie Merlot, Cabernet oder Syrah verwendet, nicht für die sizilianischen Rebsorten: Nero d’Avola etwa wird im 2.000-Liter-Holzfass ausgebaut. Geleitet wird die Produktion von Alberto Cusumano, Diegos Bruder, der dabei eng mit dem Piemonteser Önologen Mario Ronco zusammenarbeitet.

Aufwändige Logistik

Während der Weinlese, die samt und sonders per Hand durchgeführt wird, sind rund 100 Erntearbeiter im Einsatz. Die Parzellen werden jeweils am Höhepunkt der Traubenreife gelesen. Bis auf die Trauben des Ätna-Projekts Alta Mora, die am Vulkan an Ort und Stelle verarbeitet werden, gelangt das Lesegut aller Cusumano-Tenutae hierher in die Kellerei nach Partinico – so schnell wie möglich, in kleinen, niedrigen Kisten,wenn nötig gekühlt. Die Logistik ist aufwändig und muss gut geplant sein: Immerhin werden hier binnen weniger Wochen die Trauben von rund 500 Hektar verarbeitet und jährlich mehr als 2,5 Mio Flaschen abgefüllt.

»… muss sich alles verändern«

Ins moderne Ensemble in Partinico integriert sind auch ein Innenhof mit schattenspendendem Zitronenhain, Palmen und der historische Torre San Carlo, ein blassrötlicher, mit blauen Fensterläden ausgestatteter Turm aus dem späten 19. Jahrhundert. So wird auch baulich die Verbindung Cusumanos mit der Geschichte  und Tradition des Landes einerseits und der Moderne andererseits deutlich, die Synthese von Tradition und Fortschritt, von Altem und Neuem. Bei Cusumano fühlt man sich an den wichtigsten Satz im berühmtesten Romans Siziliens erinnert: In Giuseppe Tomasi di Lampedusas »Leopard« sagt der junge, stets vorwärts stürmende Tancredi zu seinem alten Onkel, dem Fürst von Salina: »Wenn wir wollen, dass alles bleibt wie es ist, dann muss sich alles verändern.«

©Fotos: Gerd Kressl (5)

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